Nach dem Fahrplanwechsel ist vor dem Fahrplanwechsel

Der Fahrplanwechsel 2020/2021 ist geschafft. Jetzt hat Michael Hußendörfer, Hauptverantwortlicher beim Verkehrsverbund Vorarlberg (VVV) für das jährliche Großprojekt, Zeit für ein Gespräch. Über das, was es braucht, bis ein neuer Fahrplan steht – und welche besonderen Herausforderungen es in diesem Jahr zu bewältigen gab.

15.12.2020

Michael Hußendörfer vom VVV
  • Lieber Michael, jetzt ist erstmal Durchschnaufen angesagt. Seit dem 13.12. gilt der neue Fahrplan. Den wievielten Fahrplanwechsel hast du nun umgesetzt? 

    Ich bin seit 2015 beim VVV. Vorher war ich einige Jahre beim Stadtbus Feldkirch beschäftigt und habe dort das kleine Fahrplanbuch erstellt. 2014/15 habe ich das erste Mal beim „großen“ Kursbuch im neuen Fahrplanprogramm mitgearbeitet. Ein Jahr später wurde mir dann die Verantwortung fürs Kursbuch übertragen – und das Ganze ging so richtig los! Die Verkehrsbranche kenne ich jedoch noch viel länger, denn ich habe Anfang der Nullerjahre bei der Stadtwerke München Verkehrsbetriebe bereits eine kaufmännische Ausbildung absolviert. 

  • Was braucht es, um einen Fahrplanwechsel umzusetzen? Immerhin gelten ab diesem Stichtag neue Fahrzeiten und Routen im ganzen Land.

    Der Fahrplanwechsel bedeutet viel Aufwand im Vorfeld. Zunächst werden alle neuen Fahrpläne in unserem Fahrplanprogramm erfasst. Dabei handelt es sich um ca. 200 Linien, denn auch z.B. jede einzelne Schulbuslinie muss separat bearbeitet werden. Die Daten aus diesem Fahrplanprogramm speisen die Internetauskunft und werden auch für das gedruckte Kursbuch herangezogen.

    Sobald das Kursbuch in Druck ist, bereite ich die Haltestellenaushänge vor. Das sind alleine im Bregenzerwald knapp 1000 Seiten Aushänge. Mehrere Linien an einer Haltestelle und das in zwei Richtungen – das summiert sich! Außerdem übermittle ich die aufbereiteten Daten an die Bordcomputer in den Bussen. Hier stehe ich in regem Austausch mit den Busbetreibern im ganzen Land. Am Freitag vor Fahrplanwechsel gehen die finalen Daten raus und dann betet man am Fahrplanwechselsonntag, dass alles passt. 

    Ein wichtiger Punkt ist auch die Georeferenzierung der Daten. Das heißt, der Fahrtverlauf der Routen wird in der Auskunft und auf den Screens in den Bussen abgebildet.

  • Wann beginnst du mit der Arbeit am Kursbuch bzw. Fahrplan neu jedes Jahr? 

    Man kann sagen, dass nach dem Fahrplanwechsel vor dem Fahrplanwechsel ist. Früher gab es zweimal im Jahr einen Wechsel: einen im Sommer- und einen im Winter. Irgendwann hat man sich europaweit darauf geeinigt, nur noch einen pro Jahr zu machen. In unserer schnelllebigen Zeit versuchen wir jedoch, den Fahrplan tagesaktuell bereit zu stellen. Das geht zwar nicht im gedruckten Kursbuch, aber für die App und die Internetauskunft ist das möglich. Das entspricht auch den heutigen Ansprüchen unserer Fahrgäste. Wir sehen hier einen Konkurrenzfaktor zum privaten Auto, denn das Autonavi weiß die aktuellen Verkehrsinfos und leitet mich jederzeit z.B. um Baustellen herum. Alles, was wir wissen, stellen wir heute ebenfalls als Echtzeitinfo bereit. 

    Für den großen Fahrplanwechsel im Dezember geht es für uns so richtig los im September. Da fangen die Gemeindeverbände an, ihre neuen Fahrpläne in unser System einzugeben. Etwa Mitte Oktober beginnen wir mit der Erstellung des Kursbuches. Da dieser gedruckte Fahrplan ungefähr sechs Wochen für Produktion und Versand benötigt, brauchen wir entsprechende Vorlaufzeit. Sprich zu Allerheiligen sollte der Grundfahrplan fürs ganze Jahr im ganzen Land stehen. Manchmal werden aber z.B. Entscheidungen für Finanzierungen von Linien erst später getroffen. Gerade heuer gab es einige sehr kurzfristige Beschlüsse, die ich noch berücksichtigen musste, vor allem was die Winterfahrpläne in einigen Tourismusregionen betrifft. 

  • Inwiefern hat sich die Corona-Pandemie auf deinen Bereich ausgewirkt?

    Als Corona aufkam, musste plötzlich ein kompletter Fahrplanwechsel innerhalb von nicht einmal zwei Tagen über die Bühne gehen, denn es wurde sehr kurzfristig auf den Fahrplan der Zwischensaison umgestellt. Seit Beginn der Corona-Pandemie machen wir eigentlich jeden Tag eine Änderung. 

  • Wie kann man sich den Abstimmungsprozess mit allen Regionen vorstellen? 

    Wann welcher Bus wohin fährt, dafür sind die Gemeindeverbände verantwortlich. Eine Herausforderung ist natürlich, dass alle regionalen Fahrpläne ineinandergreifen, sinnvolle Anschlusszeiten bestehen etc. Hier hat vor allem unsere Verkehrsplanungsabteilung eine wichtige beratende Funktion. 

  • Wie wichtig ist es, bei einem Projekt solchen Ausmaßes den Überblick bewahren zu können?

    Genauigkeit ist ein wichtiger Faktor. Kleine Fehler schleichen sich jedoch immer ein, egal wie genau man ist. Wir haben kurioserweise einen Tippfehler, der immer wieder auftaucht: Lünsersee statt Lünersee. Das ging einmal so weit, dass der gesamte Kursbuchdruck gestoppt wurde, um diesen kleinen Fehler noch auszumerzen. Ein Riesenaufwand für einen kleinen Buchstaben zu viel, wenn ich so zurückdenke! 

     

Vielen Dank für das Gespräch! 

 

Die Fragen stellte Isabelle Ganspöck.

Michael Hußendörfer vom VVV